Mit Spannung wurde die Veranstaltung mit Michael Lüders am 25. Oktober 2024 im Bürgerhaus Neue Vahr erwartet. Eingeladen waren die palästinensische Gemeinde Bremen und Umgebung sowie die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft. Es war zu erwarten, dass es – wie so oft – Versuche seitens der bedingungslosen Freunde Israels geben würde, das Ereignis zu verhindern. Tatsächlich zog die Geschäftsführung des BZ Neue Vahr die ursprünglich gegebene Zusage zunächst zurück, bestätigte sie dann aber nach einigen Telefonaten im Hintergrund und dem nachdrücklichen Hinweis auf abgeschlossene Verträge erneut. Die Veranstaltung konnte also stattfinden. Im großen Saal des Gemeindezentrums hatten über 500 Teilnehmer Platz, teilweise auch im Stehen. Aus Sönke Hundt.
Zur großen Überraschung erschienen auch Ulrich Mäurer, der Innensenator des Landes Bremen, und sein Begleitpersonal. Er ist als Privatmann und nicht offiziell hier und möchte nicht von der Versammlungsleitung begrüßt werden. Dennoch war es ein ebenso demonstratives wie erfreuliches Zeichen: Ein Regierungsmitglied wollte sich offenbar aus erster Hand über die Ansichten eines vielgelesenen Autors informieren und tatsächlich sehen, wie es auf Veranstaltungen der palästinensischen Gemeinschaft zuging und die deutsch-palästinensische Gesellschaft sollte organisiert werden, denn so geschieht es.
Durch seine Bücher, seinen eigenen Podcast und viele Interviews in alternativen Medien ist Michael Lüders in letzter Zeit einem breiten Publikum bekannt geworden. Auch wenn er in den Leitmedien kaum Veröffentlichungsmöglichkeiten findet. Michael Lüders war viele Jahre Nahost-Korrespondent der Wochenzeitung DIE ZEIT; Er war Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft und Mitglied des Afghanistan-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages. Sein jüngstes Buch („KRIEG OHNE ENDE? – Warum wir unsere Einstellung für den Frieden im Nahen Osten ändern müssen“) verkaufte sich an diesem Abend gut und nach dem Ende der Veranstaltung bildete sich eine lange Schlange für die Unterzeichnung.
Der Redner sprach an diesem Abend völlig frei. Seine intensive, völlig sachliche, nüchterne und teilweise sarkastische Art zu sprechen faszinierte seine Zuhörer. Er betrachtete Krieg, Töten, Zerstören und Vertreiben rein analytisch. Er bewertete die Ereignisse nicht und moralisierte nicht. Nur dann, so glaubt er, könne man verstehen, was wirklich in der Welt passiert. Aber erst dann kann man beurteilen, was der Völkermord am palästinensischen Volk, der vor den Augen der ganzen Welt stattfindet, wirklich bedeutet.
Lüders zeigte sich pessimistisch hinsichtlich der Aussichten für die Entwicklung in der nahen Zukunft. Es gäbe kaum oder gar keine Hoffnung auf Diplomatie, Verhandlungen oder gar einen Waffenstillstand. Die politische und militärische Führung Israels würde die Ereignisse vom 7. Oktober 2023 als „goldene Gelegenheit“ betrachten, Israels Gegner in der Region ein für alle Mal zu eliminieren und ganz Palästina zu annektieren. Jetzt kann „Eretz Israel“, das in der Bibel versprochene Land zwischen Mittelmeer und Jordanien, verwirklicht werden. Es ist jüdisches Land – und die Palästinenser sind, wie Lüders die schreckliche Wahrheit ausdrückte, „eine entbehrliche Bevölkerungsgruppe“. Würden nur die teilweise rechtsextreme Regierung und die rechtsradikalen Siedler so denken und handeln? Nein, sagt Lüders, die israelische Gesellschaft habe diese Regierung gewählt; Mit Ausnahme einer kleinen Minderheit ist die Gesellschaft heute antipalästinensisch, antiarabisch und antimuslimisch. Sein bitteres Fazit: „Grundsätzlich sind die Palästinenser zum Abschuss freigegeben; und die Mehrheit der Bevölkerung in Israel hat keine Probleme damit.“
Was würde als nächstes passieren? Israel kann im Moment aufgrund seiner Stärke kaum gehen, es leidet unter endloser Hybris und will keine Verhandlungen, weil es dann Kompromisse eingehen müsste. Andererseits ist aber auch klar: Das Ganze ist letztlich eine „Mägdenkalkulation“. Kein Staat könnte alles um sich herum in Trümmern liegen lassen und dann glauben, dass er und seine Bevölkerung in Frieden mit seinen Nachbarn leben könnten. Darüber hinaus schürt Israel durch die Grenzenlosigkeit und Kompromisslosigkeit seiner Politik und die eklatante und fast nihilistische Missachtung des menschlichen Lebens einen Hass in der gesamten Region, der wahrscheinlich mehrere Generationen anhalten und es dem Staat Israel sehr schwer machen wird in der Region akzeptiert werden würde.
Allerdings können sich die Umstände auch sehr schnell ändern. Israel würde sich immer mehr in der Welt isolieren und die immer mächtiger werdenden Länder des globalen Südens würden dem westlichen Narrativ immer weniger folgen. Israel kann weder wirtschaftlich noch ideologisch allein überleben. Alles hängt von weiteren Waffenlieferungen ab. Und: Sollte sich Präsident Donald Trump im Falle seiner Wahl am 3. November dazu entschließen, die Waffenlieferungen an Israel irgendwann zu stoppen, weil diese für die USA zu teuer wären und ein Angriff auf den Iran letztlich zu einer Explosion der Ölpreise führen würde, wäre… ja, dann könnten die Karten neu gemischt werden.
Für seine Ausführungen zwischendurch und vor allem am Ende erhielt Lüders großen, langanhaltenden Applaus. Es folgte eine lange Diskussion – unter reger Beteiligung der zahlreichen anwesenden Palästinenser.
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