TikTok-Tabu. In Down Under ist die Brutalisierung von Kindern endlich vorbei
Australiens Regierung verhängt ein Social-Media-Verbot für Personen unter 16 Jahren. Die Initiative ist bemerkenswert und trotz aller Schwierigkeiten und absehbaren Umsetzungsschwierigkeiten durchaus zu begrüßen. Wir können nur hoffen, dass es weltweit Schule macht und auch deutsche Politiker zum Nachdenken anregt. Sofern sie das überhaupt noch können. Ein Kommentar von Ralf Wurzbacher.
Australier wollen Kinder und Jugendliche TikTok verbieten. Funktionieren sie noch ordnungsgemäß? Antwort: Ja, natürlich, absolut. Down Under schränkt die Nutzung sogenannter sozialer Medien für Personen unter 16 Jahren strenger ein als jedes andere Land. Im beschleunigten Verfahren Am Mittwoch und Donnerstag haben die beiden Kammern des Parlaments einem erst wenige Wochen alten Gesetzesvorschlag zugestimmt, der nicht nur in seinen praktischen Auswirkungen für die Betroffenen auf der anderen Seite der Welt einen tiefgreifenden Einschnitt bedeutet. Es bleibt zu hoffen, dass das Beispiel im besten Sinne und im wahrsten Sinne des Wortes Schule macht und weltweit ein nicht mehr aufschiebbares Umdenken auslöst.
Wie weit reicht die Entscheidung? Kindern soll die Nutzung sozialer Netzwerke ausnahmslos untersagt werden und es darf sich keine Hintertür öffnen, selbst wenn die Erziehungsberechtigten ihr Einverständnis geben. Ebenso wenig gibt es einen Schutz für „Bestandskunden“; Auch Langzeitnutzer müssen abschalten. Die Verordnung betrifft insbesondere den Kurznachrichtendienst X (einmal Twitter), die Plattformen TikTok, Facebook, Snapchat, Reddit Und Instagram. Ausgenommen sind Messenger-Dienste wie z.B WhatsAppsowie Online-Gaming- und Videoplattformen wie YouTubedie, so die Begründung, auch für schulische Zwecke genutzt werden könnten und für die kein Konto notwendig sei. Man könnte meinen, dass dies ein zu kurzer Punkt ist, da diese Angebote auch Risiken für Jugendliche bergen. Im Gegensatz zu den vom Verbot Betroffenen schreibt die Regierung ihnen jedoch zu, dass sie keine allzu enge Bindung zu den Nutzern aufbauen und ihr Suchtpotenzial vergleichsweise begrenzt ist.
Jugendschutz geht vor Unternehmenswohl
Es steht außer Frage, dass sich die Regierung von Premierminister Anthony Albanese mit ihrem harten Vorgehen auf einem schmalen Grat bewegt, und zwar nicht nur, wenn es um die Unterscheidung zwischen „guten“ und „schlechten“ Anbietern geht. Von Kindern und Jugendlichen wird viel erwartet, insbesondere von denen, die schon lange auf den Plattformen unterwegs sind. Sie verlieren plötzlich ihre gewohnten Kommunikationsmittel, ihre Lieblingsbeschäftigung und vielleicht ihre wichtigste Nachrichtenquelle. Und ja, auch Freundschaften und Bekanntschaften werden auf eine harte Probe gestellt und möglicherweise sogar auseinanderbrechen, weil ein Austausch über alle physischen Grenzen hinweg nicht mehr möglich sein wird. Entsprechende Kritik, auch aus der australischen Zivilgesellschaft, ist berechtigt und muss ernst genommen werden.
Aber: Regierung und Parlament haben einen Kompromiss eingegangen, der den allgemeinen Jugend- und Kinderschutz begünstigt und individuelle Härten und Härten für die Betreibergesellschaften in Kauf nimmt (schnupfen). Kommunikationsministerin Michelle Rowland sagte kürzlich, fast zwei Drittel der 14- bis 17-Jährigen hätten sich online sehr schädliche Inhalte angesehen – darunter Drogenmissbrauch, Selbstmord, Selbstverletzung und gewalttätiges Material. Wir wissen nicht wirklich, was das mit und von Kindern macht, da das Gebiet kaum erforscht ist. Aber man spürt, dass Horror, Gewalt, Pornografie und Hass, die in die Köpfe von Achtjährigen strömen, nicht dazu beitragen, gut aufzuwachsen und sich zu einem sozialen, einfühlsamen, friedlichen und liebevollen Menschen zu entwickeln. Der Schlüssel zu verantwortungsvoller Politik liegt hier darin, „Stopp“ zu rufen.
Kindheit ermöglichen
„Es geht darum, Kindern eine Kindheit zu ermöglichen. Es hat nichts Soziales daran, dass einige soziale Medien unsere jungen Australier von echten Freunden und echten Erlebnissen fernhalten“, sagte Premierminister Albanese vor der Parlamentsentscheidung. Für ihn seien soziale Medien „eine Plattform für Gruppenzwang, ein Treiber für Ängste, ein Werkzeug für Betrüger und ein Werkzeug für Online-Sexualstraftäter“. Das ist übertrieben und muss nicht für alle Nutzer gleichermaßen gelten; Auf entsprechende Inhalte kann gezielt verzichtet werden. Doch den meisten Kindern fehlt die intellektuelle, soziale und emotionale Souveränität, um vernünftige Entscheidungen zu treffen. Denn das alles müssen sie als Kinder noch lernen. Doch wenn Eltern im Beisein ihrer kleinen Kinder ständig auf ihr Smartphone starren – wie sollen sie dann verstehen, dass diese blinkenden Geräte ihnen bei falscher Anwendung schaden können? Eine rhetorische Frage…
Natürlich gibt es viele Zweifel an der Machbarkeit eines Social-Media-Tabus. Der Ball liegt bei den Konzernen. Sie sollen selbst technische Barrieren errichten, die eine Umgehung unmöglich machen, und wenn ein Kind doch illegal darauf zugreift, drohen Bußgelder in Millionenhöhe. Die Regierung gibt ihnen ein Jahr Zeit, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, erst dann tritt das Gesetz in Kraft. Es wird sicherlich genügend junge Leute geben, die das Verbot selbst knacken, indem sie beispielsweise ihren Standort mithilfe der VPN-Technologie verschleiern. Sicherlich werden nicht alle Eltern mitmachen und das eigene Handy für ihre Kinder sperren. Darüber hinaus äußern Gegner Datenschutzbedenken, und in diesem Fall ist wahrscheinlich eine stärkere Überwachung erforderlich, um den Überwachern und Manipulatoren der Plattformindustrie die Überwachung und Manipulation zu erschweren. Ausgerechnet X-Chef Elon Musk spuckt Gift und Galle. Er behauptet, dass die Pläne darauf abzielen, den Zugang zum Internet für alle in Australien zu kontrollieren.
Konformisten, verstört, brutal
Das bleibt abzuwarten, aber angesichts der Machtverhältnisse ist es vielleicht nicht einmal völlig absurd. Aber was ist die Alternative? Dass Musk und seine Kollegen ihre Mission der Brutalisierung und Dummheit völlig ungehindert gegen Vernunft, Moral und gesunden Menschenverstand ausführen dürfen und unsere Kinder zu Konformisten, Verstörten und Brutalen deformieren? Der australische Fall ist weit mehr als nur ein gescheiterter Versuch, IT- und KI-Unternehmen in die Schranken zu weisen. Es ist ein Weckruf, der auf der ganzen Welt nachhallt und hoffentlich zur Nachahmung anregt. Und es knüpft an ähnliche Initiativen an, etwa von den Franzosen für ein Handyverbot in Schulen oder von Schweden und Dänemark, die digitale Medien aus dem Unterricht ausschließen wollen. Denn laut dem dänischen Bildungsminister Mattias Tesfaye haben wir Studenten „Meerschweinchen im digitalen Experiment“ gemacht, „deren Ausmaß und Konsequenzen wir nicht verstehen können“. Dafür bat er die Dänen ausdrücklich um Vergebung.
Werden sich deutsche Politiker irgendwann entschuldigen, wenn sie eines Tages vor den Trümmern ihrer Arbeit stehen, mit der sie über einen „Digitalpakt“ Deutschlands Schulen der IT- und KI-Lobby ausgeliefert haben? „Viel Geld für nichts“, schrieb er vor zwei Wochen Spiegel (hinter der Paywall) nach der Veröffentlichung einer neuen Studie, die ergab, dass 40 Prozent der Achtklässler nur über rudimentäre Computerkenntnisse verfügten. Die Mehrheit konnte nur „klicken und wischen“, während nur 1,1 Prozent die höchste Kompetenzstufe erreichten. Der absehbare Ruf nach noch mehr Technikschrott für den Unterricht war unausweichlich. Elon Musk hat es hier weiterhin leicht.
Titelbild: Prostock-studio/shutterstock.com
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