Politik

UN-Zukunftsgipfel beschließt „Zukunftspakt“ – Wie er umgesetzt wird, bleibt „Geheimnis des Augenblicks“

Karin Leukefeld sprach mit dem langjährigen UN-Diplomaten und ehemaligen stellvertretenden Generalsekretär Hans von Sponeck zum „Zukunftspakt“, der von der 79. UN-Generalversammlung mehrheitlich angenommen wurde. Der Autor erreichte von Sponeck in Kopenhagen, wo er und Richard Falk, der langjährige UN-Diplomat und Sonderberichterstatter für die besetzten palästinensischen Gebiete, ihr gemeinsames Buch „Liberating the United Nations“ vorstellten.

Das Interview:

Im Rahmen der diesjährigen UN-Generalversammlung fand in New York ein zweitägiger „Zukunftsgipfel“ der Staats- und Regierungschefs der 193 Mitgliedsstaaten statt. Auf 30 Seiten, in 5 Kapiteln und 50 Maßnahmen wurde ein Pakt für die Zukunft der Vereinten Nationen vorgestellt. Kennen Sie das betreffende Papier?

Hans von Sponeck: Ja, der zukünftige Gipfel hat stattgefunden. Die Generalversammlung verabschiedete am 22. September eine Konventsresolution (A/79/L.2). 143 Länder stimmten dafür, 7 Länder waren dagegen und 15 Länder enthielten sich. Was die Welt in diesem Dokument sieht, ist eine beeindruckende Wunschliste, eine sogenannte „Aktionsliste“. Dies deutet darauf hin, dass sich die Staatsoberhäupter darüber im Klaren sind, was auf multilateraler Ebene falsch läuft und wo dringend Reformen erforderlich sind.

Bitte nennen Sie einige Beispiele.

Hans von Sponeck: In Teil 2 des Pakts geht es um „Internationalen Frieden und Sicherheit“. Einige Aktionen bzw. Maßnahmen werden aufgelistet. In Aktion 13 heißt es beispielsweise: „Wir werden unsere Anstrengungen verdoppeln, um friedliche, integrative und gerechte Gesellschaften aufzubauen und zu erhalten und die Grundursachen von Konflikten anzugehen.“ Weiter geht es mit Aktion 14: „Wir werden alle Zivilisten in bewaffneten Konflikten schützen.“ Und Aktion 16 verspricht: „Wir werden die Zusammenarbeit und das Verständnis zwischen den Mitgliedstaaten fördern, Spannungen abbauen, eine friedliche Beilegung von Streitigkeiten anstreben und Konflikte lösen.“

Es erinnert an das Lied „I have a dream“. (Abba, ich habe einen Traum) Nehmen wir diesen ehrgeizigen Vorschlag in Aktion 39 im Paktentwurf: „Wir werden den Sicherheitsrat reformieren und dabei die dringende Notwendigkeit anerkennen, ihn repräsentativer, integrativer, transparenter, effizienter, effektiver, demokratischer und rechenschaftspflichtiger zu machen.“ Nach der Verabschiedung des Pakts wurden bislang nur Fragmente davon übernommen.

Es werden also große Ankündigungen gemacht. Gibt es Vorschläge, wie man das umsetzen kann?

Hans von Sponeck: Genau darum geht es. Wie soll das umgesetzt werden! Insbesondere die Frage, wie die Reformen der UN-Strukturen, also des Sicherheitsrats und der Generalversammlung, umgesetzt werden sollen, bleibt weiterhin ein Rätsel. Für mich ist diese lange „Aktionsliste“ nichts weiter als eine Erinnerung. Es kann für den langen Weg der Reformen auf einer verminten Straße voller Schlaglöcher nützlich sein.

In seiner wohlmeinenden Rede äußerte sich Bundeskanzler Scholz ganz kurz zu den Reformherausforderungen. Unter anderem sagte er: „Die UN dürfen nicht an einem ‚Status quo‘ festhalten; er hat recht. Wahr sei auch, dass „Afrika, Asien und Lateinamerika besser vertreten sein müssen“, wie er sagte. Die vielleicht wichtigste Aussage, die er für mich machte, war: „Es muss Verhandlungen geben“ und „Kein Land darf diese Verhandlungen mit Maximalforderungen blockieren.“ Die Generalversammlung muss über Reformen des Sicherheitsrats entscheiden.“ Allerdings hätte ich mir von der Kanzlerin mehr Inhalt und konkrete Hinweise zum weiteren Vorgehen erwartet, um etwas zu erreichen. Schließlich ist er der Vertreter des Landes, das gemeinsam mit Namibia die Federführung bei der Vorbereitung des Gipfels übernommen hat.

Warum wurde diese Aufgabe nur zwei und dann diesen beiden Staaten übertragen?

Hans von Sponeck: Es war Generalsekretär Guterres, der den Vorschlag machte, Namibia und Deutschland mit der Vorbereitung zu betrauen. Ich weiß nicht, warum er das entschieden hat.

Sie waren 32 Jahre lang als deutscher Diplomat bei den Vereinten Nationen tätig und waren zuletzt (1998-2000) als stellvertretender Generalsekretär im Irak für das UN-Sanktionsprogramm „Öl für Lebensmittel“ verantwortlich. Sie waren bereits UN-Diplomat, als Deutschland noch nicht Mitglied der Vereinten Nationen war. Haben Sie als langjähriger und sehr erfahrener UN-Diplomat an dem Pakt mitgearbeitet?

Hans von Sponeck: Es gab keinen direkten Kontakt zwischen dem Auswärtigen Amt und mir bezüglich der Vorbereitungen für den UN-Gipfel. Im Jahr 2016 erschien im Herder Verlag ein Buch mit dem Titel „Wir sind UNO“. Dabei handelt es sich um 45 deutsche Staatsangehörige, die lange Zeit bei den Vereinten Nationen tätig waren. Ich gehöre zu den dreien, die zur ersten deutschen UN-Generation gehören. Zwei sind inzwischen gestorben. Der Herausgeber Dr. Ekkehard Grieb, heute Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), schrieb in seinem Vorwort, dass das Buch „Menschen würdigt, die durch ihr persönliches Engagement, ihren Idealismus, ihre politische oder berufliche Tätigkeit das UN-System am Leben erhalten.“ Kreativität und ihre kritische Denkfrage.“ Mir ist aufgefallen, dass heute, wenn es um die Vereinten Nationen geht, oft Menschen nach ihrer Meinung gefragt werden, die oft gute Beiträge leisten, aber noch nie bei den Vereinten Nationen gearbeitet haben. Doch diejenigen, die jahrelang als UN-Insider vor Ort oder im Hauptquartier gearbeitet haben, haben kaum Mitspracherecht. Ist das eine bewusste Entscheidung oder ein Zufall? Ich weiß es nicht. Und nein, ich kann nicht sagen, ob das Auswärtige Amt die in dem gerade erwähnten Buch genannten Personen kontaktiert hat. Ich war jedenfalls nicht da.

Gemeinsam mit Professor Richard Falk, der viele Jahre Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die von Israel besetzten palästinensischen Gebiete war, haben Sie ein umfassendes Buch zur UN-Reform vorgelegt. Welche Themen sind wichtig?

Hans von Sponeck: Der nun offiziell angenommene UN-Reformkatalog benennt ein breites Netz dringend notwendiger Reformen. Unser Buch basiert auf einem ähnlichen Katalog und benennt ebenfalls Prioritäten als Grundlage dafür, wie dieser Reformprozess gestaltet werden muss. Das wichtigste Thema ist der Sicherheitsrat. Es ist das Leitungsorgan der UN und muss ausgebaut werden. Wichtig sind die Fragen des Vetorechts und des Verhältnisses zwischen Sicherheitsrat und Generalversammlung. Es ist klar, dass die Generalversammlung mit dem Sicherheitsrat unzufrieden ist, weil dieser sich als unfähig erweist, sein wichtigstes Mandat der UN-Charta, nämlich die Gewährleistung von Frieden, militärischer und menschlicher Sicherheit, erfolgreich umzusetzen. Es gibt immer mehr Mitgliedstaaten, die dem Sicherheitsrat seine Entscheidungsrechte entziehen wollen. Die Generalversammlung muss mehr Entscheidungskompetenz erhalten, es geht auch um den Internationalen Gerichtshof und insgesamt um mehr Rechenschaftspflicht.

Ihr Buch erschien im Juli in englischer Sprache bei Stanford University Press und trägt den Titel „Befreiung der Vereinten Nationen“ – Befreien Sie die Vereinten Nationen. Was muss passieren, um die UN zu befreien?

Hans von Sponeck: Erstens muss das Völkerrecht als verbindlicher Rahmen für multilaterales Handeln anerkannt werden. Geschieht dies nicht, muss dies Konsequenzen haben. Jede Form des Unilateralismus, also einseitiges Handeln eines Staates allein im eigenen Interesse, muss aufhören. Dazu gehört auch die auf die Interessen des Westens ausgerichtete Einseitigkeit, die beide aus den Vereinten Nationen entfernt werden müssen. Alle UN-Mitgliedsstaaten müssen den Verpflichtungen aus der UN-Charta nachkommen, die sie mit ihrer Mitgliedschaft eingegangen sind. Dazu gehört die Verpflichtung, „den internationalen Charakter der Verantwortlichkeiten des UN-Generalsekretärs und anderer Mitarbeiter zu respektieren und nicht zu versuchen, sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu beeinflussen“. (UN-Charta, Kapitel XV, Artikel 100, Absatz 2)

Die Finanzierung der Arbeit der UN muss an die von der Generalversammlung und den einzelnen Mitgliedsstaaten der operativen UN gestellten Aufgaben angepasst werden. Und zur Befreiung der UN gehört auch das, was Richard Falk und ich nicht leichtfertig geschrieben haben. Wir gehen davon aus, dass die nun offiziell und ernsthaft begonnene Reformdiskussion unseren Beitrag berücksichtigen wird. Mit dem Verständnis, dass wir unsere sorgfältige Forschung mit unseren eigenen UN-Erfahrungen in Beziehung setzen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Titelbild: kckate16/shutterstock.com


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