Literaturgeschäft: stilvergessene Romanbesessenheit
Stellen Sie sich vor, in den Konzertsälen des Landes würden plötzlich nur noch Sinfonien gespielt und die großen Labels würden nur noch Sinfonienaufnahmen produzieren. Jeglicher anderen Genres jener klassischen Musik, gleichfalls genreübergreifende experimentelle Gießen, würden plötzlich zu zweitrangigen, minderwertigen Nischenphänomenen degradiert und zu einem marginalen Schattendasein aufwärts Nebenbühnen und in Hinterhöfen verurteilt.
So paradox eine solche Idee hinsichtlich jener faktischen Vielfalt jener dargebotenen musikalischen Gießen gleichfalls erscheinen mag, so selbstverständlich erscheint sie in jener rapide und radikal verarmenden Literaturlandschaft: Welches nicht Roman heißt, hat kaum eine Risiko, zwischen einem größeren Verlagshaus veröffentlicht zu werden – und wenn es trotzdem veröffentlicht wird, bleibt es. Nicht-Romane werden normalerweise unberücksichtigt, sowohl von Literaturhäusern wie gleichfalls von den einschlägigen Kunstblättern.
Unkritische Kritiker
Seit dem Zeitpunkt einiger Zeit wahrnehmen sich die Kritiker jeder Verantwortung enthoben, die Leser jenseits den Formenreichtum aufzuklären, jener jenseits des Massenromans zu finden ist. Darüber hinaus spiegelt es nicht einmal die Kapitulation wider, die nachhaltig vor jener monopolistischen Vorherrschaft des Romans begann. Im vorausschauenden Pflichtgemäß unterwirft sie sich einer vorweggenommenen Marktlogik, doch sie selbst verkommt zunehmend zur willigen Vollstreckerin derselben: Die Kritiker meinen, dass niemand Rezensionen liest, in denen es nicht um Romane geht, sondern dass Leser Romane nur kaufen, weil die Rezensionen nichts anderes zu tun nach sich ziehen mit dem Themenkreis zu tun nach sich ziehen.
Darüber hinaus sind die Romane, die im Allgemeinen von solch unkritischer Kritik favorisiert werden, in einer stilistisch irrelevanten Diktion gehalten; Sie zielen aufwärts die reibungslose Rezeption einer Handlung und eines Themas ab, die meist durch biografische Echtheit und die Wink jener Konsternierung bestätigt wird. Deshalb diskutiert gleichfalls dies Kulturteil sie Romane in erster Linie nachher sachlichen und inhaltlichen Kriterien – ganz so, wie würden im Literaturteil die Leitartikel jener vorangehenden Zeitungsseiten rezensiert und nicht sprachliche Kunstwerke sui generis.
Relevanz und „Sprachkraft“
Eine eigentliche Stilkritik hingegen findet im deutschsprachigen Kulturteil nicht mehr statt. Zwar ist dies Besonderheit „eloquent“ in Romanrezensionen so gut wie schon Pflicht; Gewiss fehlt den Rezensenten offenbar regelmäßig die Muße, sich damit zu in Anspruch nehmen, dem Leser sie vermeintliche Mächtigkeit jener Sprache näher zu erläutern. Und so reiht sich sie alibihafte Stilfloskel hemmungslos in dies inhaltliche, literaturkritische Werbespruch-Bingo ein – neben jener „Verhandlung relevanter Themen“, dem „tiefen Tauchen in Gefilde jener Wirklichkeit“ oder nicht zuletzt jener „Erkundung von gesellschaftliche Veränderungsprozesse“.
Damit entsteht überall eine skandalöse Liaison zwischen Romanwahn und Stilvergessenheit. „Wohl es gibt so viele großartige Romane! Wie kann man dies Romangenre offensiv vorgehen?“ Selbst höre die Gesamtheit schreien. Es geht nicht drum, ein Literaturform wie solches in Verruf zu mitbringen. Dies Romanmonopol hingegen bewirkt genau dies: Nämlich, dass die Gesamtheit anderen Literaturgattungen bestenfalls wie Vorläufer des Romans wahrgenommen werden. Es gibt keinen Dichter oder Kurzprosaschreiber, jener nicht schon zigmal gefragt wurde: „Nach sich ziehen Sie schon zusammensetzen?“ Rechts ein Buch geschrieben?“
Wir sind von dort spornstreichs aufgerufen, die erstaunliche Vielfalt an Gießen und Stilen zu sichern – und gleichfalls unsrige Ehre –, die sich jenseits mehrere Jahrtausende jener Literaturgeschichte herausgebildet hat und nun durch die sprachvergessene Obsession mit Romanen bedroht zu sein scheint. Wäre es nicht spannend, neben all den Romanen gleichfalls halb so viele Bände mit langen Gedichten oder Kurzgeschichten, Dramen oder Kurzgeschichten, Aphorismen oder Palindromen, Satiren oder Parodien in den Regalen jener Buchhandlungen zu finden?
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